Ein ehrlicher Reality-Check nach drei Jahren KI-Einsatz in der Mitarbeiter-Kommunikation: Was hat geklappt, was nicht.
Die Versprechen waren gross: "KI revolutioniert die interne Kommunikation!"
Die Realität nach drei Jahren KI-Einsatz am KSW: Es ist komplizierter.
Hier ein ehrlicher Reality-Check – ohne Hype, ohne Panik. Nur Fakten aus der Praxis.
Was tatsächlich funktioniert:
1. Content-Variationen für verschiedene Zielgruppen
Eine Nachricht, fünf Versionen. KI macht's in Minuten.
Für Ärztinnen: Medizinisch präzise, wissenschaftliche Sprache
Für Pflege: Alltagsnah, praktische Tipps
Für Administration: Prozessfokussiert, strukturiert
Für Führungskräfte: Strategisch, Management-relevant
Für Auszubildende: Einfache Sprache, erklärend
Zeitersparnis: 70% verglichen mit manuellem Schreiben. Qualität: Mit guten Prompts gleichwertig mit manuellen Texten.
2. Übersetzungen (mit Vorsicht)
Deutsch → Französisch, Italienisch, Englisch für internationale Mitarbeitende.
Was klappt: Standardtexte, Newsletter, Ankündigungen. Was nicht klappt: Nuancierte Change-Kommunikation, emotionale Themen.
DeepL ist hier noch verlässlicher als ChatGPT, aber ChatGPT holt auf.
3. Ideation für Kampagnen
"Gib mir 20 Kampagnen-Ideen für Mitarbeiter-Engagement beim KISIM-Launch."
KI als Brainstorming-Partner funktioniert erstaunlich gut. Von 20 Ideen sind 2-3 gold. Das reicht.
Was nicht funktioniert (oder gefährlich ist):
1. Ungefilterte KI-Texte publizieren
Die grösste Falle: KI-Output direkt verwenden.
KI halluziniert Fakten, erfindet Statistiken, behauptet Dinge, die nie passiert sind. In der internen Kommunikation ist das toxisch.
Regel: Immer fact-checken. Immer.
2. Emotionale Krisenkommunikation
Bei heiklen Themen (Entlassungen, Unfälle, Konflikte) versagt KI komplett.
Ein Beispiel aus der Praxis: Eine Kollegin aus einem anderen Spital testete
ChatGPT für eine Mitarbeiter-Mail nach einem Arbeitsunfall. Das Ergebnis war
technisch korrekt, emotional aber komplett daneben. Empathie kann KI (noch)
nicht simulieren.
3. Authentische Geschichten erzählen
KI kann keine echten Erfahrungen erfinden. Julia on the Road funktionierte, weil eine echte Person echte Geschichten erzählte.
KI kann helfen, diese Geschichten zu strukturieren – aber sie kann sie nicht ersetzen.
Die Balance:
Nach drei Jahren habe ich einen Workflow entwickelt:
Für schnelle Standard-Kommunikation:
KI schreibt ersten Draft (70% der Arbeit)
Ich editiere, prüfe Fakten, passe Ton an (30%)
Zeitersparnis: 50-60%
Für strategische Change-Kommunikation:
Ich schreibe, KI optimiert
KI macht Varianten für Zielgruppen
KI übersetzt
Zeitersparnis: 30-40%
Für emotionale Kommunikation:
Ich schreibe alles selbst
KI hilft bei Struktur/Formulierungen
Zeitersparnis: 10-20%
Die unbequeme Wahrheit:
KI macht Kommunikations-Profis nicht überflüssig. Sie verändert aber das Kompetenzprofil:
Weniger wichtig: Perfekte Grammatik, schöne Formulierungen Wichtiger: Strategisches Denken, Empathie, Prompt Engineering, Fact-Checking
Die Zukunft ist hybrid:
Die beste interne Kommunikation entsteht durch die Kombination:
Menschliche Strategie + KI-Effizienz
Menschliche Empathie + KI-Skalierung
Menschliches Urteilsvermögen + KI-Geschwindigkeit
Weder "alles mit KI" noch "nichts mit KI" ist die Antwort. Die Kunst liegt im richtigen Mix.
Drei Empfehlungen für den Einstieg:
Starte klein: Beginne mit Übersetzungen und Content-Variationen. Low risk, high reward.
Definiere klare Leitplanken: Wo ist KI erlaubt (Newsletter) und wo nicht (Krisenkomm)?
Investiere in Prompt Engineering: Ein Tag Training spart Monate Trial & Error.
Die Frage ist nicht: "KI – ja oder nein?" Die Frage ist: "Wie nutze ich KI verantwortungsvoll und effektiv?"
Und genau darauf gibt es keine pauschale Antwort. Nur: Probieren, lernen, anpassen.
03.12.2025



